Ein Tag in Mödlareuth

30 Jahre leben wir nun in einem gemeinsamen Deutschland, aber das war nicht immer so. Die Grenze zwischen Ost und West ...

 

 gehört zu einer Zeit, von der wir jungen Menschen kaum noch berichten können. 

  Eindrücke gewinnen wir nur durch die Erzählungen unserer Eltern und Großeltern. Dennoch ist die Teilung Deutschlands ein Thema, welches bis heute viele Menschen bewegt und interessiert. Eben deswegen waren wir alle aufgeregt „Little Berlin“ kennenzulernen. Mödlareuth, ein kleines verschlafenes Dorf mit gerade einmal 40 Einwohnern, sollte unser Ziel sein. Das Dorf liegt schon seit Jahrhunderten auf der Grenze zwischen Bayern und Thüringen. Dennoch war der kleine Bach „Tannbach“ das einzige, was die Menschen dort getrennt hat. Sie waren eine Gemeinde von Familie über Landwirtschaft bis hin zum eigenen Männerchor. Als Deutschland 1945 zwischen den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs aufgeteilt wurde, war klar, dass das kleine Zuhause der Mödlareuther vor einer großen Veränderung stehen würde. Während Bayern an die amerikanische Besatzungszone fiel, fiel Thüringen an die sowjetische Besatzungszone. Anfangs störte dies die Bewohner nicht. Bis plötzlich die Mauer kam. Die Mödlareuther standen nun vor verschiedenen Problemen, die die scheinbar unüberwindbare Grenze mit sich brachte: So wurden unter anderem Familienmitglieder voneinander getrennt. Das von den Amerikanern auf „Little Berlin“ getaufte Dorf ist damit ein beeindruckendes Stück deutsch-deutscher Geschichte. Also hieß es für den Oberstufen-Jahrgang A21 ab in den Bus und auf nach Mödlareuth. Schon am Ortseingang konnten wir von weitem ein Stück der Mauer, welches die Mödlareuther nach dem Mauerfall als Gedenken gerettet hatten, betrachten.

 

Bild 1

 Dieses Stück sah ganz anders aus als die bunten und mit Parolen beschmierten Mauerstücke, welche in Berlin zu finden sind. Es stand ebenso grau und kalt da, wie die Zeit der Teilung für die Menschen gewesen war. Schon hier wurde uns bewusst, dass ein intensiver Tag auf uns zukommen würde. Vorort begrüßte uns eine nette Dame, welche uns den ganzen Tag begleitete und mit Informationen versorgte. Nach einem Vortrag über die Ortsgeschichte und einem Einblick in das Leben der Menschen dort waren wir alle überwältigt. Von Zahlen missglückter Fluchtversuche bis zu Glückstränen über den Mauerfall war alles hautnah in einem kurzen Film zu sehen. Besonders aber faszinierte uns die Geschichte zweier Brüder, welche durch die Mauer getrennt waren. Ein Bild nach dem Mauerfall von beiden, gealtert und grau, aber dennoch überglücklich einander wieder-zuhaben, berührte uns sehr. Nach dem Vortrag ging es zu einem Rundgang durch das ehemalige Sperrgebiet. Auf den Außenanlagen des deutsch-deutschen Museums ist alles in einem kleinen Radius detailgetreu nachgebaut, um Besuchern einen bestmöglichen Eindruck zu gewähren. Hier erklärte uns unsere Betreuerin den Aufbau der einzelnen Bereiche und berichtete uns von Fluchtversuchen sowie dem Leben an der Grenze.

 

Bild 2

Man hatte die Möglichkeit alles genau zu betrachten, was für ganz Deutschland Jahrzehnte lang der Inbegriff von „Gefangensein“ war. Nach unserer Tour durch die Sperrzone stellte sich eine Mödlareutherin zur Verfügung, um über ihr Leben in „Little Berlin“ zu berichten. Wir durften ihr allerhand Fragen stellen, welche sie aufgeschlossen beantwortete. Nach einem anstrengenden, aber aufregenden Tag ging es zurück nach Erfurt. Als Fazit kamen wir alle zu der Einsicht, dass Ausflüge nach Mödlareuth für jede Schulklasse eine Bereicherung sind. Neben Informationen und Eindrücken nimmt man ebenso eine Erfahrung fürs Leben mit. Wir alle gehören zu einer Generation, die nicht mehr in einem geteilten Deutschland aufgewachsen ist, was schlichtweg Glück ist. Dennoch haben wir an diesem Tag viel über Freiheit und Grenzen in den Köpfen vieler Menschen gelernt. Wir sind alle mit einem Ziel aus Mödlareuth zurückgekehrt: Eine Generation zu werden, die aus der Vergangenheit lernt. Eine Generation zu werden, die für ihre Freiheit kämpft. Und dafür danken wir Mödlareuth.

Text von Filiz Steindorf, A21/1